Mittwoch, 22. Februar 2012

carnaval12

Den "Carneval", den "Abschied vom Fleisch" (carne vale), wie es wortwörtlich übersetzt werden kann, habe ich in den vergangenen Tagen hier in Sao Paulo miterleben dürfen.
Schon seit wir hier angekommen sind, liefen die Vorbereitungen für das Fest des Jahres in Brasilien auf Hochtouren: Sambaschulen und die "Baterias" (Perkussionsgruppen) hörte und sah man immerwieder proben und in den letzten Wochen entwickelte sich spürbar eine Spannung auf das Fest.
So besuchte ich die vergangenen Tage jeden Abend die Strassenkarneval und verbrachte eine Nacht in dem sog. Sambodrom. Letzteres Event stellt ein Wettkampf verschiedener Sambaschulen dar, die mit ihren pompösen Wägen, aufwendigen Kostümen, auf welche viele das ganze Jahr hinsparen, und typischer, nur mit Tanga bekleideter Sambatänzerinnen, durch den Sambodrom zogen. Dabei wurde für meine Erwartungen nur wenig Samba getanzt. Nur einige Zuschauer und lange nicht alle Aufführenden schwungen die Hüften. Kam dann einmal eine der beinahe nackten, und dieser Aspekt ist den Brasilianern wohl wichtig, Frauen vorbei, freute ich mich, dass sie nicht so abgemargert waren, wie viele Frauen die in der westlichen Modewelt heute gefragt sind, doch fragte ich mich dann immerwieder, ob diese dahinwabernden Hinterteile wohl auf natürliche Weise solch enorme Ausformungen entwickeln konnten.
Mehr als der Samba spielte grundsätzlich das Bier eine dominierende Rolle. So wie ich den Karneval in den Strassen erlebt habe, erinnerte er mich an Volksfeste in Deutschland, doch mit mehr Wärme, die Hüften treibenden Rythmen und eindeutig mehr "alegria", Freude.



























Fragen.

Dem Text "zwischen Sonne und Regen - Eine Reflektion über die Aula de Circo" sich anschliessend, möchte ich gerne einige Frage formulieren, von welchen ich mir wünsche, dass sie in Kommentaren diskutiert und bewegt werden.


Können Kinder unter zwölf Jahren - das ist die Altersklasse mit welcher wir vornehmlich arbeiten - aktiv ihr Verhalten mitbestimmen? Kinder nehmen bis zum Einsetzen der Pubertät, dem Beginn des selbstreflektierten Ich-Bewusstseins das Verhalten, die Lebensweisen und Sitten ihres Lebensumfeldes auf und gestalten daraus ihr Leben.
Ich frage mich, in wie fern kann ein Kind, dass uns respektlos behandelt, unsere Circusrequisiten wegnimmt, oder uns mit Steinchen bewirft, persönlich als schludig für dieses Verhalten erklärt werden? Ist das Kind nicht ein Resultat seines Lebensumfeldes, gerade weil es noch nicht als ich eigenständig sich für einen Weg, eine Verhaltensweise entscheiden kann?
Dann frage ich mich, wer ist für dieses von Gewalt und Drogen geprägte Lebensumfeld verantwortlich?
Ich frage mich warum gibt es Favelas, warum Armut, warum gibt es soviel Reichtum auf der Erde und doch so wenig Wille zum Teilen? Macht unser westlicher Reichtum andere arm? Sind es gierige Menschen auf der anderen Seite der Welt, die an den Lebensbedingungen der Favelakinder mitteilhaben?


Dies sind Fragen die aus meinen Beobachtunge hier in Brasilien entspringen und noch keine Antworten in mir gefunden haben. Bewegt diese Fragen mit!



Freitag, 17. Februar 2012

zwischen Sonne und Regen - Eine Reflektion über die "Aula de Circo"

Extrem kontrastreiche Gefühle prägten für mich in den vergangenen Tagen das Circustraining in der Favela.So mussten wir am Dienstag das Training frühzeitig beenden, da einige Kinder Steine auf andere Kinder und uns geworfen haben.


Es ist in jeder "Aula" eine riesige Herausforderung, die Kinder so mitzunehmen, dass sie uns wirklich mit Aufmerksamkeit und Respekt zuhören und das befolgen was wir ihnen sagen. Wenn wir beispielsweise in einen Kreis rufen, ist dies nicht mit einmal Rufen getan, sondern es müssen nicht selten zehn weitere, energische, laute und "nachhaltige" Rufe folgen. Nach dieser ersten Hürde beginnt dann der zähe Kampf um Ruhe zu bitten, der auch gerne mal einige Minuten andauern kann: Haben sich die kleine Geprächsgrüppchen einmal beruhigt, kommt einer der Strassenhunde vorbei, oder ein Freund oder Verwandter grüsst von weitem und die kostbare Aufmerksamkeit verflüchtigt sich ins nichts. Rangeleien, oder Motivationen die Hände des Kreisnachbarn zu zerquetschen, kommen zu diesem grundsätzlichen Unvermögen der Kinder ruhig zu sein hinzu. Wenn ich an dieses Diziplinierens der Kinder denke, fällt mir auf, dass ich in diesen Momenten total da bin; dass ich versuche mit den Kindern Augenkontakt zu halten, ihnen klar zu machen, dass es nun darum geht Sonja, Ole oder mir zuzuhören.
Mir wird deutlich dass diese Kinder wohl fast immer genau im Jetzt leben, genau das machen, zu was gerade ihr Gefühl sagt und genau dieser Aspekt ist es, der unsere Arbeit immer wieder so herausfordernd macht. In das Bewusstsein der Kinder dringt nur schwer ein, dass man viel mehr reden, lernen, machen könnte, wenn man nur einige Minuten still und aufmerksam sein würde. Auch der Fakt, dass die "aula de circo" zeitlich beschränkt ist, motiviert sie nicht sich mehr zu disziplinieren, obwohl ich das Gefühl habe, dass viele wirklich Interesse haben etwas zu lernen. Das Gefühl im Moment ist für sie wichtiger als das Planen um effizienter arbeiten zu können.
Wenn dann schlussendlich eine relative Ruhe eingekehrt ist, erklären wir beispielsweise wie auf das Einrad aufgestiegen wird, oder dass es wichtig ist aufrecht auf dem Einrad zu sitzen. Im nachhinein fällt einem jedoch auf, dass nur einige die Hinweise wirklich beachtet und verstanden haben und man erklärt diese Dinge seperat von neuem. Dies benötigt viel innere Ruhe und niemals endende Geduld. Ich merke wie ich in jedem Augenblick der Aula im hier und jetzt bin, versuche, obwohl ich weiss, dass der Unterrichtsstil uneffizient ist, meine Kenntnisse geduldig weiterzugeben. Dabei wird mir deutlich, dass ich mich den Kindern so viel wie möglich öffnen muss, dass ich ihnen so viel wie möglich Aufmerksamkeit schenken muss, damit sie Aufmerksamkeit für mich haben.
Das Geben und das Geduldig sein ist aber auch schön und bereitet mir Freude. Während man sich öffnet und gibt passiert es jedoch in de Aulas immer wieder, dass man beleidigt wird - "cala boca" (halt dein Maul) - oder Circusrequisiten einfach genommen werden, oder Regeln, die wir aufstellen, nicht beachtet werden, bis dahin, dass die Kinder mit Einrädern wegrennen und wir sie förmlich einfangen müssen, oder wie es diese Woche der Fall war, Ole mit einem Stein beworfen wurde und uns gesagt wurde wir sollten doch bitte nach Deutschland zurückkehren. So müssen wir in dem Öffnen, in der Nähe zu dem Kindern, die der Unterricht fordert, eine innerliche Distanz waren, um nicht von dem Gefühl des Respektlosigkeit, dem Gefühl dass man anstatt Dank Beleidigungen entgegengeschmettert bekommt, tief verletzt zu werden.
Persönlich merke ich, dass ich hier in Brasilien bin um zu Geben, oder um Weiterzugeben und wie es bei allem Geben auf dieser Welt ist, nicht erwarten darf, dass ich etwas zurückbekomme - zumindest nicht von den gleichen Personen im selben Moment. Gleichzeitig verstehe ich, dass die Kinder nichts was sie tuen aus wirklich bösem Willen tuen, sondern weil es eine Konsequenz ihres Lebens, der Armut, ihrer Erziehung, letztendlich ihrem Schicksal ist. Gerade weil sie derartige Herausforderungen im Leben haben bin ich hier, um ein kleines Licht zu sein, einen anderern Umgang vorzuleben und den Kindern Freude zu bereiten.



Montag, 13. Februar 2012

derTropfen

Das Workcamp in Aramitan hat mich weiter gestärkt auf meine Gedanken, meine Wörter und meine Taten zu achten, um in die Welt immer ein Bisschen mehr gute Energie zu schicken. Dabei ist mir das Bild des Tropfens, der Wellen schlägt als Metapher eingefallen: Jeder Gedanke, jedes Lächeln, jedes Danke sagen, aber auch jeder Kauf keiner Banane, sondern eines Apfels des nebenan wohnenden Bauers, oder jeder Schwung aufs Fahrrad ist einer dieser Tropfen, den andere sehen, miterleben und welcher vielleicht auch kommuniziert wird. Über sechs Ecken kennt ein jeder von uns bekanntlich jeden auf unserem blauen Planeten, also kann es auch garnicht lange dauern bis "unser" Tropfen Wellen auf der ganzen Welt geschlagen hat. Eine Affirmation und eine Graphik sind zu diesem Thema in Aramitan entstanden: "Ich bin der Tropfen, bin die Welle"


Dienstag, 7. Februar 2012

Über das Leuchten in der Welt / Workcamp Aramitan

In der vergangenen Woche hatte ich die Möglichkeit an einem Workcamp der NGO Aramitan (www.aramitan.com) teilnehmen zu können. Morgens wurde sich mit untererschiedlichen politischen, sozialen aber auch persönlichen Themen beschätigt, die sich letztendlich alle um die Frage drethen, "wie kann ich als Mensch verantwortungsvoll in der Welt handeln und eine positive Entwicklung unterstützen, oder sogar anstossen". Nachmittags wurde drei Stunden handwerklich gearbeitet um das Haus der Einrichtung fertigzustellen und um einen Spielplatz zu errichten. Danach gab es viel Zeit um sich mit den 40 Mitfreiwilligen auszutauschen und vorallem zu musizieren. Wie auf jedem Treffen mit vielen Menschen, auf Jugendfahrten, Symposien oder gemeinsamen Reisen, fühlte ich mich auch hier in dem gemeinschaftlichen Leben unglaublich wohl, inspiriert und sicher und merke, dass ich auch zukünftig auf jeden Fall mit viele Menschen zusammenleben möchte.
Hier in Aramitan kommen Menschen aus ganz verschiedenen Hintergründen zusammen. So arbeiten hier Brasilianer aus der Mittelschicht, aber auch aus der Favela mit Argentieniern, Deutschen und Neuseeländern zusammen. Es sind nicht nur die Gespräche, sondern einfach das miteinander Leben, das zusammen, viel Kochen, das gemeinsahme Essen, der Austausch zwischen vielen sehr verschiedenen Menschen mit ihren Qualitäten, der mir gut tat.
Inhaltlich wurde sich auch mit der globalen Ökonomie beschäftigt und es flossen immerwieder bewegende Erfahrungen von den Favelabewohnern, oder Teilnehmern ein, die in und mit der Misere Süd-Amerikas arbeiten. Emotional wurde von der Ohnmacht berichtet, in der sich viele Menschen der Unterschicht Süd-Ameriakas heutzutage befinden: Ohne Bildung keine Arbeit, keine Möglichkeit aus dem "vicious circle" des täglichen Überlebenskampfes zu entkommen und dies in einem von Gewalt und Drogen dominierten Lebensumfeld. In Brasilien beispielsweise führt der entfässelte Kapitalismus mit seinen Gewinnen wohl immernnoch nur marginal zu verbesserten Lebensbedingungen der armen Bevölkerungsschichten. Unter den Teilnehmern herrschte ein Konsenz darüber, das der Kapitalismus, so wie er momentan weltweit praktiziert wird, umfangreich reformiert werden muss, um sozial, den Menschenrechten entsprechend und die Natur respektierend praktiziert werden zu können. Persönlich war ich froh über allgemeine Distanzierung von jedlichen radikalen Bewegugen, wie beispielsweise der radialen Linken, oder anderen radiakalen politischen Grupierungen. "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" (Mahatma Gandhi) war das Motto. Beginne bei dir die Welt zu verändern, achte auf deinen Gedanken, deine Worte, dein Verhalten und Umgang in jedlichen Beziehungen, sei dir über dein Konsumverhalten, deine Lebensweise bewusst, arbeite dort wo du Gutes tust, unterstütze Menschen die Gutes tuen, lebe in Gemeinschaften die achtsam mit der Welt umgehen usw. Auch in zwei der vier Vortäge, an welchen ich beigewohnt habe, ging es nicht um die Entwicklung einer utopischen Vision zukünftigen globalen Zusammenlebens, die natürlich auch Wichtigkeit hat, sondern um das Kennenlernen von sich selbst und der Entwicklung eines Bewusstseins für sich selbst, sein Umfeld und letztendlich für die Welt. 






Persönlich vertrete ich eine viel zurückhaltenderer und ich würde sagen realistischere Sicht auf, das was man in der Welt gerade verändern kann, als viele andere, enthusiastischere Teilnehmer des Workcamps. Gerade auf meiner Reise in das Amazonasgebiet habe ich erneut miterlebt wie der Sog des Kapitalismus, der Fokussierung auf viele materielle Werte, gerade erst beginnt und ich stelle mir vor, dass dies in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern auf der Welt änlich ist. Viele Menschen empfinden gerade den Drang ein Handy zu erwirtschaften, wollen ein Fernseher, ein Auto, ein Haus haben. Und dieses Wollen ist ein Gefühl, das in ihnen wohnt und sie treibt. Viele von uns jedoch leben in jenem "Wohlstand", merken dass er nicht alles Glück bedeutet und entwickeln andere Vorstellungen. Doch den Teil an Menschen, den ich gerade als "wir" bezeichnet habe, ist ein verschwindend kleiner Teil der Weltbevölkerung.




Keine Frage ist natrürlich, dass ich jede Art von Aufbruch und jede Art von Einsatz für die Welt als extrem wichtig empfinde! Täglich versuche auch ich ein Licht in die Welt zu tragen und andere anzuregen mit zu leuchten. Gerade Aramitan empfinde ich als einen dieser magischen Orte, an welchem sich jährlich dutztende junge Menschen treffen neue Ideen diskutieren und in die Welt tragen. Bewegend war für mich auch, dass altbekannte Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen, oder Werte wie Kommunikation, Dialog, Empathie, Vertrauen und Bewusstsein, Achtsamkeit immer wieder auftauchten, Ideen und Werte, die mich schon lange gepackt haben und sogar hier an ganz entfernten Orten auf Resonanz treffen und sich somit in mir noch weiter verdichten. 


Ich wünsche euch viel Kraft beim Leuchten,
mit herzlichen Grüssen aus der Hitzte,
Jonas

blogarchiv