Mittwoch, 28. März 2012

circus.erziehung

In den beiden Circusstunden, die wir täglich direkt in der Favela Monte Azul für Kinder und Jugendliche anbieten, ist mir erneut bewusst geworden, dass der Großteil unseres Unterrichtes nicht die Vermittlung von Circusfähigkeiten einnimmt, sondern dass es vielmehr Grundlagen eines konstruktiven sozialen Miteinanders, sowie der Schaffung eines funktionsfähigen Unterrichtsrahmens, sind, an welchem wir mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten: "Bitte schaut und hört Sonja, Ole und Jonas zu, wenn sie euch eine neue Übung zeigen", "bitte kommt zu uns, wenn ein Kursteilnehmer eure Mutter beleidigt hat, schlagt diesen nicht, sondern lasst uns dieses Problem gemeinsam im Dialog lösen", "respektiert das, was wir euch sagen", "bitte tretet oder schlagt keine anderen Kinder", "bitte lacht nicht, wenn einem anderen eine Übung nicht gelingt", "bitte lernt euren Gegenüber ausreden zu lassen, um in folge ruhig eine Antwort zu geben" usw.

So ist unser Circusprojekt nun auch ein Erziehungsprojekt!
Persönlich merke ich, dass gerade diese Grundlagen eines "normalen" sozialen Miteinanders fundamental wichtig für die Zukunft dieser Kinder sind. In Schule, Ausbildung, Berufwahl und letztendlich in der Ausübung eines Berufes, eigentlich in allen Lebensbereichen, ist ein gesitteter und respektgeleiteter Umgang mit den Menschen in der Umgebung von zentraler Bedeutung.

Gruss Jonas

Montag, 26. März 2012

emBelo Horizonte.

.zwei Tage
.2,2 Millionen Einwohner 
.auf Hügeln
.mit einem wunderschönem Horizont
.wohnte bei Architekten
.liebte die Gastfreundschaft 
.verabscheute die monotonen Hochhäuser
.genoss die Natur










grussjo

neuer arbeitsplan.


Montag bis Freitag arbeiten wir nun schon seit einigen Wochen im Pontinho de Culturo. Von 17h- 18:15h findet Circus fuer Kinder zwischen 7 und 12 Jahren satt, von 18:30h bis 20h der Unterricht fuer die Jugendlichen. Mit dieser Arbeitsplanumstellung wirken wir nun intensiv in der Favela und schaffen für 20-30 Kinder und Jugendliche pro Tag eine sinnvolle Abendbeschäftigung fern von Drogen, Gewalt, den normalen Treiben in der Favela. 


Dazu arbeiten wir zwei volle Tage pro Woche im Centro Culutral von Monte Azul und werden in den naechsten sechs Wochen mit einigen Kindern, die auf freiwilliger Basis zu unserem Unterricht kommen versuchen ein kleines "Espetaculo de Circo" auf die Beine zu stellen. 
In zwei mal einundhalb Stunden pro Woche wird sich jedes Kind auf zwei Circusgenres spezialisieren und dieses schlussendlich in eine paar Wochen auffuehren. 


Zudem haben wir ein Projekt in angeschoben das in vorsieht in verschiedenen Waldorfschulen Mini-Vorträge über unser Projekt zu halten und evtl. auch etwas Kleines aufzuführen. Die sieben Waldorfschulen, welche es hier in Sao Paulo gibt sind sehr eliter, sprich von Schuelern besucht, die hauptsächlich in reichen Gegenden im Zentrum von Sao Paulo wohnen und keinen Kontakt mit der Peripherie, den Favelas oder sozialer Misere haben und grundsätzlich auch nicht aufsuchen. Als europaeische Freiwillige können wir mit unserem Projekt, so hoffen wir, auf offene Ohren stossen und einen sozialen Impuls dort geben, wo er gebraucht wird. Mich macht es traurig und ärgerlich hier in Sao Paulo in einer Favela zu arbeiten, von welcher aus man das Reichenviertel Morumbi mit seinen Hochhäusern und Villen sehen kann. Schnell kommt dann die Frage auf, warum müssen viele Spendengelder oder auch wir als Freiwillige in ein die sechstgrößte Wirtschaftsnation kommen?


grüsse aus dem heissen Sao Paulo,
jonas



Montag, 19. März 2012

reflexion.austausch.zwischenseminar.botucatu

Anfang März haben etwa 20 Freiwillige, die mit den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners ein freiwilliges soziales Jahr  in Brasilien machen, ihr Zwischenseminar in Botucatu erlebt. Fünf Tage reflektierten wir gemeinsam die ersten Monate unserer Freiwilligendienste, tauschten Erfahrungen aus und setzten uns Ziele für die kommende Zeit. In der wunderschönen kleinen Siedlung Demetira Botucatu entstand für mich in diesen Tagen ein Austausch, der mir Kraft gibt und mich weiter impulsiert neu Ideen in unsere Arbeit zu tragen. Besonders sich mit einer Gruppe so toller anderer Freiwilliger zusammenzufinden hat mich bewegt und meine Lebenskräfte auf Hochtouren gebracht. 











herzlich aus der Sonne, 
Jonas

Samstag, 17. März 2012

duschen.

Oft stehe ich unter der Dusche, denke jetzt ist es zeit aufzuhoeren Wasser in den Abfluss zu giessen und druecke impulsiv mit meiner linken Hand auf den Lichtschalter. Danach ist das Licht aus doch verdattert wundere ich mich ueber das Wasser, welches immernoch ueber meinen Koerper fliesst. Ich lache und freue mich ueber diese Kuriositaet, die mir in Wirklichkeit mindestens einmal pro Woche passiert.

Sonntag, 4. März 2012

ideen zu neuen bildungsformen - inspiriert von Peter Guttenhöfer

Wir Volontarios in Monte Azul haben das große Glück an einem breitgefächerten Kulturprogramm der Einrichtung teilhaben zu können und ein noch größeres Glück mit Ute Crämer, der Gründerin und dem jetzigen "Herz" vom Monte Azul, uns in einem wöchentlichen Lesekreis austauschen und inspirieren lassen zu können.
Vor einigen Wochen besuchte der langjährige Waldorflehrer und Gründer verschiedener Waldorfschulen, sowie des Waldorflehrerseminars Kassel, Peter Guttenhöfer, Sao Paulo und Monte Azul. In zwei Vorträgen und einer Diskussion, im Rahmen des Lesekreises bei Ute Crämer, wurde ich von den revolutionären Ideen und Impulsen zum Thema Bildung und Erziehung dieses erfahrenen Pädagogen gepackt und möchte versuchen einige dieser hier weiterzugeben.  


Bildung ist hier in Brasilien, sowie auf aller Welt ein Schlüsselthema. Bildung bildet die Gesellschaft, Bildung schafft das Fundament sozialen, ökonomischen, politischen, wenn man genau darüber nachdenkt, allen Handelns. In Gesprächen mit Brasilianern hier, werden wir oft für unsere gute Bildung beneidet, da sie hier, sowie auf der ganzen Welt, Türen öffnet. Die Menschen wissen, mit einer guten Bildung kann man alles erreichen und sich aus der Misere herausarbeiten. So erlebe ich hier in Sao Paulo immer wieder, dass Menschen bis ins hohe Alter tagsüber arbeiten und des nachts studieren, um sich zukünftig ein besseres Leben erwirtschaften zu können.
Diese Notwendigkeit einer guten Bildung ist jedoch in allen Ländern der Welt ähnlich. Auch von vielen Deutschen kenne ich das Argumet: "dasjenige, was mir wirklich wichtig ist, ist für meine Kinder eine gute Bildung ermöglichen zu können". Genauso denkt es auch der Staat, der versucht die Jugend des Landes so effizient wie möglich zu bilden, damit sie den Marktbedingungen des Landes gerecht werden - "es werden wieder Facharbeiter gesucht". Weltweit richten die Regierungen, in dem Wahn die Kinder schon so früh wie möglich  intellektuell zu bilden, immer frühere Schulpflichten ein, oder beginnen schon für den Kindergarten Curricular festzuschreiben. Aufgrund dieser weltweiten Entwicklung des Schulwesens, dass von Kindern fordert, so schnell wie möglich erwachsen zu sein, plädiert Peter Guttenhöfer für "Die Rettung der Kindheit". Bis ins Kleinkindalter hinein versuchen wir heutzutage Menschen zu formen, damit sie später in unserem wirtschaftlichen System maximal erfolgreich sind, einem globalen Wirtschaftssystem, dass bald die Ressourcen der Welt aufbrauchen wird und in welchem heutzutage eine Millarde Menschen an Hunger leiden.


Guttenhöfer argumentiert gleichzeitig, Schulen seien kinderfeindlich - Kindern nicht gemäß gestaltet - da sie sie von beginn an in eine "verkopfte" Lernstruktur zwängen, obwohl Kinder in diesem Alter auf ganz andere Art lernen und ganz andere innere (Lern)Impulse haben. Bis etwa zum 12. Lebensjahr erlernen Kinder vielmehr durch Nachahmung, dem Kopieren des Erwachsenen, als durch das wahrhaft kognitive Verständnis eines Vorgangs. Dazu passend argumentiert Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorfpädagogik: „Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Lehrer und  Erzieher nur die Umgebung  des sich selbst erziehenden  Kindes.“ Damit ist auch gemeint, dass das Kind einen Lehrer als Vorbild hat und aus sich heraus die Möglichkeit ergreift dieses Vorbild in sich aufzunehmen. Der Lehrer muss dadurch das Kind nicht in seine Denkweisen, sein Bildungskonzept zwingen, oder Tests streng nach Curriculum durchführen, welche das Kind be-urteilen und damit einen Leistungsdruck aufbauen, mit welchem man als Erwachsenen tagtäglich zu genüge konfrontiert wird. Peter Guttenhöfer betont wie ich finde zurecht, dass Kinder bis zum 14. Lebensjahr viel stärker das Bedürfnis haben auf der sinnlich-praktischen Ebenen Dinge zu erlernen. Dabei musste ich an meine Kindheit zurückdenken und kann bestätigen, dass ich in den vielen handwerklich-künstlerischen Tätigkeiten in der Unterstufe der Waldorfschule immer mit Freude und Elan dabei war und ich jetzt - bis auf eine kleine Rechtschreibschwäche - auch auf der intellektuellen Ebene gut zurecht komme. 


Nun kommen wir zum nächsten Punkt Peter Guttenhöfers Konzept. Durch die frühe intellektuelle Blidung nehmen wir dem Kind nicht nur seine Kindheit und seine Möglichkeit sich selbst zu einem eigenen Menschen zu entfalten, sondern wir verhindern zudem das vollständige Ankommen des Kindes auf der Erde (Inkarnation), also die Verbindung mit der Erde, dem Planeten auf welchem, mit welchem wir leben. Wird ein Kind schon mit vier Jahren in die Schule gesteckt, um sich dort gedanklich mit Erwachsenenthemen auseindanderzusetzen, wie soll es dann wirklich in seinem Körper ankommen, wie soll es die Natur kennenlernen, Spielen und dabei seine Phantasie, seine Kreativität ausbilden? Auch ich persönlich finde es kein Wunder, dass wir westlichen Menschen heutzutage so entfremdet von der Natur leben und sie, oft noch nicht einmal mit einem schlechten Gewissen ausbeuten und zerstören, wenn wir doch nie einen richtigen Bezug zu Ihr aufbauen konnten.


Peter Guttenhöfer schlägt ein vollkommen neues Schulkonzept vor, dass den Kindern eine Kindheit schenkt, ihnen ermöglicht sich mit der Erde zu verbinden (inkarnieren), den Aspekt aus der Lernforschung mit einbezieht, dass Kinder bis ca. dem 12. Alter vornehmlich durch nachahmen und kopieren lernen und ihnen die Möglichkeit gibt zu einer individuellen Persönlichkeit heranwachsen zu können.
Dafür muss der Ort Schule bis zur vierten oder fünften Klasse vollkommen neu gestalten werden. Kinder sollen, ihm nach, von Handwerkern, Landwirten, Menschen die eine praktische Tätigkeit ausführen bis zur fünften Klasse gebildet werden. Obwohl diese Formulierung schon wieder etwas irreführend ist, denn die Kinder sollen sich nach Rudolf Steiner "selbsterziehen", indem sie dem Vorbild des praktisch schaffenden Menschen folgen. Dabei lernen die Kinder durch Nachahmen nicht nur handwerklich-praktisch zu arbeiten, sondern erleben natürlich auch wie diese neuen "Vorleber" einen Abrechnung machen, lesen, Mass nehmen, ausrechnen, zählen, Probleme lösen, mit und in der Natur arbeiten und vieles mehr. Die Kinder begeleiten also den handwerklich tätigen Menschen in seiner Arbeit und werden im Laufe der Zeit immer mehr in die Arbeitsprozesse eingebunden und lernen Verantwortung zu übernehmen
Peter Guttenhöfer stellte uns die Frage, ob wir uns erinnern können auf welchem Wissenstand wir in der fünften Klasse waren. Mir wird dabei deutlich, dass ich mich fast garnicht mehr an die ersten Schuljahre erinnern kann und das es eher praktische Erlebnisse wie das Hausbauen (Waldorf-Handerwerkerepoche), das Weizen sähen oder das Stockbrot machen sind, an welche ich mich erinnern kann. Anders als in Staatsschule, habe ich auch erst sehr spät lesen und schreiben gelernt, geschweige denn komplizierte mathematische Vorgänge. Um so leichter viel es mir persönlich dann in der Oberstufe den gymnasialen Stoff mit freudiger Eigeninitiative nachzuholen und Abitur zu machen. Aufgrund dessen habe ich auch das Gefühl, es muss bis zur fünften Klasse noch nichts abstrackt und kognitiv gelernt werden, die Lernfähigkeit der Kinder liegt auf der praktischen Ebene.


Wie stellt sich Peter Guttenhöfer diese Transformation der Schule vor? 
Er plädiert  für einen evolutionenären Weg der kleine Schritte, dass die neue "Erziehungsidee" von Begeisterten weiterkommuniziert wird und mehr und mehr Kindergärten und Grundschulen dieses Schulkonzept anwenden.


Eine weitere Beobachtung von Herr Guttenhöfer hat in mir eine euphorische Resonanz geweckt: Guttenhöfer beobachtet bei der heutigen Jugend den Trend dahingehend mehr in Lebensgemeinschaften zusammenleben zu wollen. Teilendes, sich gegenseitig inspirierendes, gemeinsames, ganzheitliches, bewusstes, nachhaltiges, "autonomeres" Leben, beispielsweise auf einem grossen Biobauernhof stelle ich mir dabei vor. Dabei sollte  jede Familie, jeder Mitbewohner, in einer eigenen Wohnung leben können, bzw. eine Rückzugsmöglichkeit haben. Gerade die Idee, dass Menschen mit ganz verschiedenen beruflichen Ausrichtungen zusammenleben, einige von diesen den Hof betreuen, es eine Gärtnerei gibt, biologisch-dynamischen Nahrungsmittelanbau, Schreinerei, Hauswirtschaft, Kunst und aber auch Menschen die unabhängig außerhalb arbeiten, finde ich super interessant, nicht nur weil dadurch die Grundbedürfnisse - Essen, Wohnen, Leben - durch ausschließlich lokales Wirtschaften sehr nachhaltig gedeckt werden, sondern auch weil ein Austausch zwischen den ganz verschiedenen Berufen und Lebensperspektiven entstehen kann, von welchem ich glaube das er die Möglichkeit eröffnet leichter ein Bewusstsein für die vielen herausfordernden Vorgänge und Prozesse der globalisierten und komplexen Welt zu bekommen. Bewusstsein ist schließlich der Ausgangspunkt für bewusstes, respektgeleitetes Handeln.
Zudem könnte eine "Lebensgemeischaft" - mir fehlt immernoch das richtige Wort, um dieses Konzept zu beschreiben - aus mehreren Generationen bestehen, so wie man es aus den vergangenen Jahrhunderten kennt: die Älteren betreuen die ganz Jungen mit, später die Jungen die Alten und dabei haben jene bis zu ihrem Lebensende eine sinnvolle und erfüllende Aufgabe, sitzen nicht, wie ich leider oft in Deutschland feststellen muss mit 65, aber eingentlich noch fit, in ihrere Wohnung und versauern. Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen können in solche Lebensgemeinschaften zudem perfekt in Arbeiten, die sie vollbringen können, eingebettet werden und können somit mit ihren oft nicht so schnell ersichtlichen Qualitäten mitwirken.
Peter Guttenhöfer sprach diese Form von Zusammenleben an, da seine Ideen zu Erziehung in diesem Konzept perfekt umgesetzt werden können. Die Kinder der verschiedenen Familien werden Stück für Stück in die Aufgaben in Hof und Umfeld mit eingebettet, lernen spielend-nachahmend, soziale, praktische und  künsterlische Tätigkeiten. Ab zehn, zwölf Jahren besuchen sie dann natürlich eine weiterführende Schule und lernen die grösseren Zusammenhänge dieses Planeten kennen, bilden sich intellektuell und spezialisieren sich schlussendlich. Diese Spezialisierung findet aber auf dem Hintergrund statt, dass sie die körperlichen Qulitäten, also handwerklich-künstlerischen schon verinnerlicht habe, die Natur und Aspekte sozialem Zusammenlebens kennen und auf diesem Bewusstsein ihr "Karriere" aufbauen. Wenn man nun noch der Argumentation Peter Guttenhöfers folgt, müsste man sagen, dass sie ganz Mensch sind, sich inkarniert haben und nicht nur die "denkerischen" Qualitäten des Menschen einseitig geschult haben. 



Nun genung zu den Ideen die in meinem brasilianische Kopf kreisen und hin- und herbewegt werden. Ich schicke euch daher Grüsse aus der Sommerhitze mit knackblauem Himmel, 
schwitzend und froh, Jonas




PS. einen Text Peter Guttenhöfers zum Thema "Die Rettung der Kindheit" findet ihr unter folgendem Link: http://globalsociallab.goetheanum.org/Rettung%20der%20Kindheit%20Spitta-Version.pdf















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