Dienstag, 29. November 2011

Schweren Herzens

Domingo, 27 de novembro de 2011:

Ich sitze im Cafe der wunderschönen Pinakothek Sao Paulo, mein Herz ist sehr bewegt und ich trinke einen Cappuccino. Heute haben sich 20 junge Brasilianer zusammengefunden um einen Spielemorgen mit Strassenkindern im alten Centrum von Sao Paulo zu gestalten, wir nenne diese Aktion "Projeto Junto". 


Um neun Uhr morgens sind wir gemeinsam losgelaufen, sind durch die Strassen gezogen und haben versucht Kinder zusammenzuziehen die mit uns einen morgen mir Spiel und Spass  verbringen wollen. Die Stadt ist Sonntags wie leergefegt; es herrscht eine Stimmung als wäre am vortag eine riesige Party gewesen. Die Hauser sind sind von dem wilden Leben der Stadt gezeichnet, es ist dreckig und verranzt. Immerwieder liefen wir an Obdachlosen vorbei, die irgentwo in der Fussgängerzone herumlagen und fragten uns leben diese Menschen eigentlich noch?

Unter riesigen Brücke traffen wir dann einige Kinder an, die in winzigen Baracken wohnten. Als ich näher kam und sie fragte ob sie Lust hätten einige Spiele mit uns zu spielen zündeten sich die acht bis vierzehnjährigen gerade einen Joint an. Gemeinsam begannen wir Kreisspiele u.ä. zu machen und wir realizierten was dasjenige war, das die Kinder immer in ihren Jackenärmeln mit sich herumtrugen und immerwieder daran schnüffelten. Es war Lösungsmittel, dass sich als Rauschdroge verwendeten. Man schaute den Kindern in die Augen und sah bei vielen dies verstört Abwesenheit, diesen Nebel den die Drogen verursachen. Trotzdem freuten sich die Kinder merklich, dass wir da waren. Sie spielten, lachten, hatten glückliche Augenblicke mit uns. 
Zur Mittagszeit dann haben wir mit ihnen gemeinsam gepicknickt. Ein Mädchen erzählte mir wie sie ihr Geld verdiene. Mit ihren Freundinnen zusammen würde sie ihre Waffe herausholen und im Centrum Passanten überfallen. Dabei blickte sie mir tief in die Augen. Als ich fragte, ob sie nicht ihr Leben verändern wolle, antwortete sie: "Wie?" Ich stelle mir diese Frage nun auch!
Diese Kinder wohnen hier im Centrum unter der Bücke, haben keine Familie, kein zuhause, keine Bildung, keine Hilfe. Viele von uns zwanzig jungen Menschen redeten mit den Kindern und baten sie das Lösungsmittel, oder den Kleber wegzustellen. Das taten viele auch für die Zeit, in der wir dort waren. Doch wurde mir klar, dass morgen früh das gleiche Spiel wieder von neuem beginnen würde. Schon jetzt sah man an vielen Körpern der Kinder die Auswirkungen des Dorgenkonsums und wusste, dass sie früher oder später mit ernshaften gesundheitlichen Problemen kämpfen werden. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass es so viel mehr Energie bedarf um diese Kinder aus dieser Szene zu befreien und ihnen eine Perspektive im Leben zu ermöglichen und dass es sehr viele dieser Kinder in Sao Paulo geben muss. 
Ein Gefühl der Machlosigkeit überkam mich und erfüllt mich immernoch. Wie schon viele Male zuvor, aber nun intensiv, dominiert der Gedanke wie ungerecht diese Welt doch ist meine Gedanken und Gefühle. Jeden Tag sehe ich diesen unglaublich traurigen Kontrast dieser ungerechten Welt wenn ich die Favela laufe und in ein paar Kilometern Entfernung die Hochhäuser des Reichenviertels Murumbi sehe. 
Trotz der Machtlosigkeit die gegenüber dem unglaublich grossen Berg an Ungerechtigkeiten fühlen, ist mir natürlich bewusst, dass wir uns mit dem Circusprojekt gerade direkt für eine positive Veränderung engagieren und dass ich gerade der Verantwortung sich für die benachteiligten Erdenmitbewohner einzusetzen, gerecht werde. Ich finde, jeder Mensch, der in einem wohlhabenden Land aufwächst und Geld zur Verfügung hat, hat eine Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt es verantwortungsvoll einzusetzen- "Besitz schafft Verantwortung". 
In meinen Überlegungen wird mir jedoch erneut bewusst, wie leicht es ist das Leid vieler Milliarden Menschen nicht ins das eigene Bewusstsein dringen zu lassen, wie der Grossteil der westlichen Welt dieses Elend ausblendet und die eigene Perspektive verzerrt und wie mir dies selbst so oft genauso passiert. Materielle Unwichtigkeiten, Reputation, Styl und das individuelle Maximum an Wohlbefinden überschwemmen im Gegensatz dazu unsere Gedanken und Lebensweisen während Milliarden andere Menschen wirklich unserer Hilfe bedürften. Und dabei ist es nicht nur so, dass wir diese Wahrheiten ausblenden, sondern dass wir mit unseren Handlungen und Wirtschaftsweisen dieses Leid noch weiter vermehren.

Mir werden diese Dinge bewusst während ich im Museeumscafe sitze meinen zweiten Cappuccino schlürfe.Später werde ich mir dann die Austellung von Olaf Eliasson anschauen. Mir wird klar dass ich nach diesem morgen wirklich Lust auf die Stimmung dieses Ortes an dem ich mich wohlfühle, der reich und westlich ist.

Ich befinde mich hier also nun wieder in meiner dekadenten Welt und ein paar hundert Meter weiter sitzen die Kinder mit denen wir heute morgen gearbeitet haben und schnüffeln am Kleber um die Realität zu vergessen. 



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